Erstes Trauercafé Märchen: Was uns im Innersten bewegt

16.07.2021

Mainpost 16.07.2021

Gernach

Erstes Trauercafé Märchen: Was uns im Innersten bewegt

Fünf Personen waren zum ersten Treffen des "Trauercafés Märchen" ins Haus Franziskus nach Gernach gekommen, darunter auch Gäste von außerhalb. Neben den Spielenachmittagen, Silencio und den nachbarschaftlichen Hilfsangeboten der 22 Helferinnen und Helfer ist das Trauercafé ein neues Angebot der Nachbarschaftshilfe Gernach. Es versteht sich als eine Selbsthilfegruppe für Frauen und Männer, die einen nahen Angehörigen oder Freund verloren haben und denen es schwer fällt, diesen Verlust zu verkraften.

Christine Schöll hat viel Erfahrung als Märchenerzählerin und brachte zum ersten Treffen dieser Art das Märchen "Der Traum des Köhlers" mit. Der Köhler, verheiratet mit einer Frau, die ihn stets herablassend behandelt, hat einen Traum: er müsse durch den Wald zu einer Brücke an einem Fluß gehen, dort fände er einen Schatz. Nachdem er den Traum dreimal geträumt hat, macht er sich – verspottet von seiner Frau – auf den Weg zu der Brücke, aber er findet keinen Schatz. Schon denkt er, dass seine Frau mit ihrem Spruch "Träume sind Schäume" recht hat, da begegnet ihm ein junger Mann, der auch einen Traum hat: er werde einem Mann begegnen, unter dessen Herd in seinem Haus ein Schatz vergraben sei. Beide gehen sie zum Haus des Köhlers und graben, unter dem Protest der Frau des Köhlers, unter dem Herd – und finden eine Kiste mit Gold. Der Köhler gibt jedem seiner drei Kinder einen Goldtaler, seiner Frau zwei Goldtaler. Dann vergraben sie den Schatz wieder. Die Frau verändert sich und begegnet ihrem Mann nun mit Achtung und Liebe. Sie merkt, dass die Liebe zueinander der größte Schatz ist; mit dem jungen Mann bleiben beide freundschaftlich verbunden.

Bezugspunkte zum eigenen Leben, zu eigenen Gefühlen

Nachdem alle das Märchen auf sich wirken ließen, kamen die Teilnehmer des Trauercafés miteinander ins Gespräch über die Personen, die im Märchen vorkamen: Wie erlebe ich die Frau und den Mann? Was ist das Ziel des armen Köhlers? Wo gibt es Parallelen zum Leben? Immer wieder ergaben sich aus den Antworten Bezugspunkte zum eigenen Leben, zu eigenen Gefühlen, zur eigenen Person. Und es wurde deutlich: Jeder Mensch trägt einen "Schatz" in sich. Diesen Schatz wahrzunehmen und wertzuschätzen, könne Mut machen. Außerdem wurde deutlich, wie sehr respektloser Umgang miteinander die Liebe in Gefahr bringen kann – aber auch, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte, dass es eine Wandlung hin zu gutem Miteinander geben kann.

"Die Selbsthilfegruppe hat nicht das Ziel, Trauer zu beenden. Es geht vielmehr darum, mit der Trauer besser leben zu können. Trauer braucht ihren Raum und Trauer braucht ihre Zeit", beschreibt Christine Schöll das Ziel des Angebots. Sie ist überzeugt davon, dass Märchen heilsam sein können und helfen können, Wege mit und aus der Trauer um einen geliebten Menschen zu finden. Märchen öffnen den Weg zu inneren Bildern, sie laden ein zur Beschäftigung mit den wesentlichen Dingen des Lebens. "Märchen, Mythen und Sagen drücken in starken, archaischen Bildern aus, was uns im Tiefsten bewegt", so Schöll.

Das Trauercafé Märchen findet jeweils am ersten und dritten Dienstag im Monat im Haus Franziskus statt. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 20. Juli um 18 Uhr im Haus Franziskus, Lange Gasse 8 in Gernach. Infos und Anmeldung bei Christine Schöll, Tel.: (09723) 9386605 .

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