Flutkatastrophe: Zeilitzheimer Winzer hilft Winzern an der Ahr

03.08.2021

Mainpost 03.08.2021

Zeilitzheim

Flutkatastrophe: Zeilitzheimer Winzer hilft Winzern an der Ahr

Martin Mößlein hat Wein für die vom Hochwasser getroffenen Kollegen verkauft. Ein früherer Praktikant von ihm ist dort direkt betroffen. Dieser berichtet Dramatisches.


Knapp drei Wochen nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist das exakte Ausmaß der Schäden weiter nur zu erahnen. Wie wohl jeder, der aus den Nachrichten von den verheerenden Zerstörungen und den vielen Todesopfern dort erfahren hat, war Martin Mößlein "geschockt und berührt", wie er sagt. Der 37-jährige Winzer aus Zeilitzheim stellte sich die Frage: Wie kann ich den Menschen dort helfen, insbesondere den Winzer-Kollegen in den von der Flut betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz? Schnell hatte er eine Idee und setzte diese um.

Für den Hintergrund muss man wissen: Mößlein hat eine persönliche Verbindung ins Katastrophengebiet. Vor gut vier Jahren hatte er auf seinem Weingut einen Praktikanten aus Mayschoß, einem Ortsteil der von der Flut extrem getroffenen Gemeinde Altenahr (Lkr. Ahrweiler). Bilder von den unglaublichen Zerstörungen in dem gut 900 Einwohner zählenden Ort waren in Nachrichtensendungen zu sehen und gingen um die Welt. Mößlein griff zum Telefon und rief seinen Ex-Praktikanten an.

Betroffener erzählt seine persönliche Geschichte

Im Gespräch mit dieser Redaktion wiederholt Pascal Legrand vor wenigen Tagen, was er persönlich in jener Nacht, als das Wasser Mayschoß verwüstete, erlebt hat. Er arbeitet in der Winzergenossenschaft Mayschoß. Seine Wohnung hat sich in einem Haus direkt gegenüber befunden. Es stand am Ufer der Ahr. Das Hochwasser hat das Haus wie viele weitere vollständig zerstört. Von seiner Wohnung blieb nur noch das verwüstete Wohnzimmer übrig, das mit dem kleinen, stehen gebliebenen Rest des Hauses nun abgerissen wird. "Ich habe aus meiner Wohnung nach der Flut wörtlich nur noch das, was ich in jener Nacht am Leib getragen habe", sagt Legrand am Telefon.

Als der 36-Jährige an jenem verhängnisvollen 14. Juli gegen 20 Uhr von der Winzergenossenschaft, wo er Sandsäcke gefüllt und verbaut hat, heimkommt, läuft bereits Wasser in den Keller. Er wohnt mit seiner Freundin im ersten Obergeschoss. Nachbarn von gegenüber warnen sie, dass die Glasfronten der Sparkassen-Filiale im Erdgeschoss unter ihnen geborsten sind – so hoch steht da bereits das Wasser. Legrand und seine Freundin packen das Notwendigste in Rucksäcke und gehen zu einer Mitmieterin ins zweite Obergeschoss.

Flutwelle reißt Mitbewohnerin mit

"Als dort in der Wand ein erster Riss auftritt, ist uns klar gewesen, dass das Haus akut gefährdet ist", erzählt Legrand. Gegen 2 Uhr reißt die Flut dann die Hälfte des Hauses mit sich. Die Mitmieterin aus dem zweiten Obergeschoss gerät ins Wasser, kann sich aber, wie Legrand erst Stunden später erfährt, irgendwie aus dem Wasser in die Weinberge retten, wo sie später lebend gefunden wird.

Er und seine Freundin befinden sich zu dem Zeitpunkt, als das halbe Haus einstürzt, in der anderen Haushälfte. Aus einem Fenster klettern sie auf ein Balkondach. Dort verharren sie stundenlang, bis sie ein Helikopter am Donnerstag zwischen 10 und 11 Uhr rettet.

Wein-Hilfspakete sind innerhalb eines Tages ausverkauft

Als Winzer Mößlein Legrands Geschichte hört, hat er kurzentschlossen sein eigenes Hilfspaket geschnürt. Über einen Newsletter informiert er seine Kunden: Für 100 Euro gibt es eine Auswahl von zwölf Flaschen aus dem Sortiment des Weinguts. 50 Euro des Erlöses sind für die von der Flut getroffenen Winzer bestimmt. "Die Pakete waren in 24 Stunden ausverkauft", berichtet der Zeilitzheimer Winzer. Ein Kunde hat zum Preis gleich noch 100 Euro als Spende draufgelegt. Geplant hat er 100 Pakete, am Ende sind es 140 Pakete, die seinen Angaben nach 7000 Euro für die Winzer an der Ahr einbringen.

Was Mößlein wichtig ist: Über die von einem Weingut in Rheinhessen initiierte Hilfsaktion "Solida(h)rität" helfen zahlreiche Winzer aus Deutschland, Österreich und Südtirol, darunter etliche aus Franken, ihren Berufskollegen im Ahrtal. Sie spenden Weinflaschen, die in Sechserpaketen für 65 Euro verschickt werden. Der Erlös geht über die Aktion "Der Adler hilft" direkt an die Winzer im Ahrtal.

Weitere Winzer aus der Region beteiligen sich an Hilfsaktion

Mößlein hat sich an dieser Aktion ebenfalls beteiligt und zahlt auch den Erlös seiner eigenen Aktion an "Der Adler hilft". Er weiß kennt weitere Winzern aus der Region, die mitmachen: Christian Ziegler aus Stammheim, Kerstin Laufer aus Bimbach, Uwe Gessner aus Garstadt und "viele weitere Winzer von der Mainschleife".

Die Solidarität und Spendenbereitschaft, die die Menschen in Mayschoß und den anderen hart getroffenen Gebieten derzeit erfahren, erzeugen dort eine große Dankbarkeit, bestätigt Legrand, der nach seinem Praktikum beim Weingut Mößlein in Veitshöchheim die Technikerschule für Weinbau besucht hat. Geldspenden seien in dieser Situation sehr wichtig, sagt er. Doch Geld ist nicht alles.

Winzergenossenschaft hat es hart getroffen

Für die betroffenen Winzer komme es auch auf praktische Hilfe an. Bei seinem Arbeitgeber, der Winzergenossenschaft Mayschoß, seien beispielsweise 300 Barrique-Fässer zerstört worden. Inwieweit die überfluteten Keller-, Probier- und Produktionsräume wiederherzurichten, und welche der übrig gebliebenen Geräte noch brauchbar sind, sei unklar.

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