Mainpost 16.04.2021
Gernach
"Ich sehe mich längst als Gegner jedweder Form von Religion"
Warum ich aus der Kirche ausgetreten bin (Teil 3): Herr C. verbindet schlimme Kindheitserinnerungen mit der Kirche und glaubt, dass diese faschistoide Systeme begünstige.
Herr C. hat wohl in seiner Kindheit und seinen jungen Jahren schlechte Erfahrungen gemacht mit der Form der Kirche, der er damals begegnet ist. Die Frage nach den Gründen, warum er aus der Kirche ausgetreten sei, weckt bei ihm schlimme Erinnerungen. Er schreibt: "Leider bin ich nach wie vor nicht imstande, bei diesem Thema kühl zu erzählen, zu argumentieren. Ich hatte versucht, Ihre Fragen zu beantworten, und schon jede Menge geschrieben. Ich habe nun alles wieder gelöscht."
Eine Entscheidung nach langem Zögern
Auf Nachfrage äußert sich C. dann doch über die Gründe seines Austrittes; über die Erlebnisse in seiner Kindheit möchte er nicht berichten. Er schreibt: "Tatsächlich liegt der Verwaltungsakt meines Austritts gut zwei Jahrzehnte zurück. Innerlich erfolgte er noch viel früher, im Lauf der Jugend. Und eingetreten war ich eigenen Willens ja nie." Dann führt er weiter aus: "Ich sehe mich längst als Gegner jedweder Form von Religion. Glauben darf wirklich jeder, was er will, und niemand muss etwas nicht Beweisbares ausschließen, aber damit sollte man andere nicht behelligen, und schon gar nicht Kinder, die ja noch sehr viel leichter und vor allem nachhaltiger zu manipulieren sind als Erwachsene."
Schlimme Erfahrungen am eigenen Leib
Aber gerade deshalb müssten ja die Anhänger "jedes faschistoiden Gebildes" schon ihre Kleinkinder zu Mitgliedern machen, führt er weiter aus. Diese bekämen etwas eingeimpft, was sich später nur sehr schwer, gegebenenfalls gar nicht mehr, löschen lässt. "Das habe ich am eigenen Leib erfahren."
C. verweist auch auf die politischen Auswirkungen, die die "indoktrinierende Kraft einer Person und/oder Organisation" haben kann. Er fragt: "Ist es Zufall, dass zuallererst die religiöse Landbevölkerung Donald Trump an die Regierung gebracht hat?" Als weitere Beispiele nennt er Jair Bolsonaro, Viktor Orban, Jaroslaw Kaczynski oder Recep Tayyip Erdogan. Er stellt die rhetorische Frage, welche Menschen diese an der Macht hielten, "egal mit welchem irrealen und/oder amoralischen Unsinn sie einen füttern". Sein Antwort: "Doch eher nicht die Atheisten und Agnostiker unter uns." Gerade in dieser Zeit sollte leicht zu verstehen sein, meint C., "dass man niemanden dazu bringen sollte, irgendetwas einfach zu glauben".
Gernach
"Für mich war die Kirche seit jeher eher ein Zwang"
C. macht aber auch klar, dass er das Gute, das Menschen im Rahmen religiöser Organisationen tun, wahrnimmt und schätzt. "Natürlich weiß ich, dass auch dort viele ehrenhafte und menschenfreundliche Leute (vor allem vermutlich in den unteren Rängen) unterwegs sind."
Die Schattenseiten des religiösen Glaubens
Sein Wunsch: "Es wäre schön, wenn künftige Organisationsformen der Menschenhilfe nur dieser verpflichtet wären, und grundsätzlich ohne den aus dem gemeinsamen Glauben an irgendetwas Irreales erwachsenen Zusammenhalt auskämen. Der religiöse Glaube – egal welcher Ausprägung – lässt sich immer auch negativ benutzen und ist noch von jeder Religion über alle Zeiten auch negativ benutzt worden."
Am Schluss weist er auf die existentielle Herausforderung hin, die besteht, wenn man nicht an einen Gott als Schöpfer glaubt, und man nicht weiß, ob und gegebenenfalls wie es nach dem Tod weitergeht: "Aber zugegeben, dass wir einfach nicht wissen, warum nicht Nichts ist, ist schon hart. Und dann der völlig offene Ereignishorizont beim Ableben!"
Er legt auch die Hand nicht für sich ins Feuer, wenn das Ende naht: Wer wisse schon, was sich im Kopf noch tut, wenn die Stunde naht? Er hält es da mit Shakespeare: "Wir sind aus gleichem Stoff gemacht wie Träume. Unser kurzes Leben umgibt der Schlaf."