Mainpost 24.03.2018
STAMMHEIM
Muss Stammheim beim Mainausbau einspringen?
Das zuständige Wasserstraßenneubauamt in Aschaffenburg hat ein riesengroßes Problem. Es hat den Auftrag für die Verbreiterung und Vertiefung des Maines von Ottendorf über Schweinfurt und Garstadt bis Wipfeld bereits vergeben. Eigentlich sollte die Flussrinne bereits seit mehreren Wochen ausgebaggert werden. Doch seitdem sich die Gemeinde Grafenrheinfeld, mit Bergrheinfeld und Röthlein im Schlepptau, wegen des zu erwartenden hohen Lasteraufkommens zum Abtransport des Baggerguts quer stellt, geht der Mainausbau in diesem Abschnitt nicht voran.
In die momentan laufenden „Betrachtungen“ werden alle Möglichkeiten in Erwägung gezogen, um die Mainkuh vom Eis zu bringen. Noch ist nichts entschieden, aber so sind jetzt die Schiffsanlegestelle bei Stammheim, die Recyclinganlage bei Lindach, aber auch die Tongruppen-Deponie bei Frankenwinheim mit in den Fokus gerückt.
Der „stehende Bauvertrag“
Für Claudia Beier, zuständige Sachgebietsleiterin beim Wasserstraßenneubauamt in Aschaffenburg, ist es vorrangiges Ziel, „erst einmal so schnell wie möglichst in Bauen zu kommen, wie sie betont“. Man verfüge zwar über das Baurecht, könne momentan aber das Material nicht abtransportieren. Somit habe man es mit einem „stehenden Bauvertrag“ zu tun. Deshalb würden im Hinblick auf eine abschließende Lösung zum Transport des Baggerguts über die Straße „parallel mehrere Puzzlesteine betrachtet und bewertet“. In diese Überlegungen spielen dann auch Stammheim als nächstmögliche Schiffsanlegestelle südlich von Schweinfurt und die Deponien wie Lindach, Röthlein oder Frankenwinheim hinein.
Für Frankenwinheim kann Claudia Beier eine gewisse Entwarnung dergestalt geben, dass die dortige Tongruppen-Deponie der Firma Beuerlein, weil von der Menge her untergeordnet, nur ein nachrangiger Transportweg sein könnte. Nach Frankenwinheim käme nämlich nur ein Teil des in Lindach aufgearbeiteten Materials, das zudem durch die Aufarbeitung nur nach und nach anfallen werde.
Es geht um fast 600 000 Tonnen
Rückblende: Am 24. Januar waren die betroffenen Bürgermeister über den Stand des Mainausbaues informiert worden. Der größte Teil des Baggergutes in einer Größenordnung von rund 590 000 Tonnen sollte nach dem damaligen Konzept im See Ellerngraben (408 000 Tonnen) zwischen Schwebheim und Schweinfurt entsorgt werden. 114 000 Tonnen sollten zur Weiterbehandlung auf die ehemals gemeindliche Deponie Lindach, 65 100 Tonnen auf die Recyclinganlage Röthlein und 2000 Tonnen auf die Deponie Rothmühle verbracht werden.
Durch die Widerstände aus Grafenrheinfeld, Bergrheinfeld und Röthlein, bedingt durch das hohe Verkehrsaufkommen, war das Konzept schon damals in Frage gestellt worden, wie Teilnehmer berichten. Die geplante Verladung von den Lastkähnen auf Schwerlaster sollte direkt an der Brücke, die Bergrheinfeld und Grafenrheinfeld verbindet, erfolgen.
Nach Aussage von Kolitzheims Bürgermeister Horst Herbert hat er bis heute seit dem Gespräch am 24. Januar keine weiteren neuen Informationen von Seiten des Wasserstraßen-Neubauamtes mehr erhalten. Auf seinem Gemeindegebiet liegt sowohl die im Frühjahr 2015 in Betrieb genommene Schiffsanlegestelle Stammheim, die als Ausweichmöglichkeit wegen der Widerstände in Grafen- und Bergrheinfeld in Betracht gezogen worden ist, als auch die Recyclinganlage der Firma Beuerlein auf der ehemaligen gemeindlichen Deponie in Lindach.
Firma Beuerlein mit im Boot
Das Erdbau-Unternehmen aus Gaibach ist auf Entsorgung, Wasserbau und Recycling von Erdhaushub spezialisiert und soll hier als Nachunternehmer der Papenburger Firma Johann Bunte, die den Auftrag zum Ausbaggern des Mains erhalten hat, für die Abfuhr des von Lastkähnen auf Laster verladenen Baggerguts sorgen. Je nachdem, welche Lösung am Ende zum Tragen kommen sollte, könnte es so passieren, dass ein Teil des in Lindach gesiebten Materials, um dort Sand und Kies vom Rest zu trennen, über Fahr und Volkach auch auf die an der Straße nach Krautheim befindliche Deponie bei Frankenwinheim gelangen könnte.
Schweinfurt als erste Ausweich-Option
Sollte Bergrheinfeld als Umschlagstelle vom Schiff auf Lkw tatsächlich entfallen, blieben als erste Option für alternative Umschlagplätze die Hafenspitze, das ist die Halbinsel, die das Hafengebiet in Schweinfurt vom Main trennt, und als zweite Option die Schiffsanlegestelle in Stammheim. Sie wird nicht nur von Fahrgastschiffen genutzt, sondern auch von der Firma Beuerlein, die hier über entsprechende Rechte verfügt. In den Augen von Kolitzheims Bürgermeister wäre es aber in seinen Augen ökologischer wie ökonomischer Unsinn, das gesamte Material erst 15 oder 20 Kilometer flussabwärts zu schiffen, um es dann wieder per Laster flussaufwärts zurückzukarren. Das habe er bei der Januar-Besprechung auch deutlich gemacht, so Horst Herbert.
So wird derzeit eifrig an Lösungen gebastelt. Eine könnte so aussehen, dass der Aushub begrenzt auf drei Monate lang in Grafenrheinfeld verladen wird, um in der Zwischenzeit die Schiffsanlegestelle auf der Hafenspitze in Schweinfurt entsprechend im Amtsdeutsch zu ertüchtigen, also auszubauen.
Grafenrheinfeld legt sich quer
Dazu müsste aber wiederum die Gemeinde Grafenrheinfeld mitspielen. Doch dort fühlt man sich im Gemeinderat „arglistig getäuscht“. Noch im Genehmigungsverfahren hätte es geheißen, der Aushub werde per Schiff weggeschafft, ist aus dem Rathaus zu hören. Sonst hätte die Gemeinde diesem Verfahren zur Abfuhr des Baggermaterials quer durch die Ortschaft über ohnehin schon sehr belastete Straßen, es geht um die Schweinfurter und Gochsheimer Straße, nie zugestimmt. Käme es zu dem geplanten Umschlag, würden in Stoßzeiten bis zu 170 Schwerlaster täglich allein zum Abtransport des Baggerguts durch Grafenrheinfeld donnern.
„Temporäre Sondernutzung“ abgelehnt
Um das drohende Verkehrs-Unheil abzuwenden hat die Gemeinde den Adam-Tasch-Weg in einen für den öffentlichen Durchgangsverkehr gesperrten Feld- und Flurweg umgewidmet. Der Weg verbindet den Umschlagplatz mit der Brückenstraße. Von dort sollte es durch den Ort nach Süden gehen. Der Argwohn gegenüber dem Wasserstraßenneubauamt sitzt in Grafenrheinfeld tief.
Das zeigte sich in der jüngsten Gemeinderatssitzung, als dem Antrag der Aschaffenburger Behörde zwecks einer „temporären Sondernutzung“ des Adam-Tasch-Wegs für die erwähnten drei Monate fraktionsübergreifend eine Abfuhr erteilt wurde. Die Fronten sind verhärtet, wie man daran erkennen kann. Die Gemeinde hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Denn die spannende Frage ist, ob der mit den Auftragnehmern vereinbarte Umschlag zwischen Berg- und Grafenrheinfeld durch das Planfeststellungsverfahren nun abgedeckt war oder nicht. Die beiden Gemeinden sehen dies, wie gesagt, anders.
Die Hafenspitze in Schweinfurt
Grafenrheinfeld sieht in erster Linie ohnedies die Stadt Schweinfurt in der Pflicht. Sie profitiere in erster Linie vom Mainausbau. Zum einen nutze der Ausbau dem Schweinfurter Hafen und zum anderen würden zwei Drittel des Aushubs zur Auffüllung von Flächen in der Stadt genutzt.
Die Pläne auf der Hafenspitze stoßen allerdings wieder bei der Mineralölhandelsfirma Walther auf größte Bedenken. Dort verweist man auf die enge Hafenstraße, fürchtet, dass dort alle zweieinhalb Minuten ein Schwerlaster unterwegs sein wird und die eigenen Kunden durch den Lasterverkehr behindert würden. Bei Walther kann man sich auch schwer vorstellen, dass sich die Laster beispielsweise zum Schichtwechsel durch das Hafengebiet quetschen.
Andererseits weiß man auch bei der Stadt, dass sich die Verkehrsführung auf der vierspurigen Straße durch das Hafengebiet leichter gestaltet als durch die Wohngebiete in Grafenrheinfeld. Man darf gespannt, wie die laufenden Verhandlungen ausgehen.
Warten auf eine baldige Entscheidung
Bei der Firma Beuerlein in Gaibach wartet man jedenfalls auf eine baldige Entscheidung, schließlich hat man die entsprechenden Kapazitäten eingeplant, kann aber wie die Firma Bunte momentan nicht beginnen. Zur Frage des Verladeplatzes sagt Steffen Beuerlein: „Wo umgeschlagen werden soll, ist uns relativ egal, da sind wir flexibel.“
Welche Rolle Frankenwinheim spielt
Was Frankenwinheim anbelangt, so werde dort das verbleibende Material bei der Rekultivierung und Wiederverfüllung der Tongruppe eingebracht, das sich bei der Aufarbeitung in der Recyclinganlage in Lindach von der Qualität her nicht als zum Beispiel beim Straßenbau wiederverarbeiteter Baustoff erweist. Die Mengen seien allerdings relativ gering. Wirklich belastetes Material wird auf die Deponie Rothmühle als Entsorgungszentrum des Landkreises Schweinfurt gebracht.